Macht Gott glücklich?
Liebe Schwestern und Brüder! Liebe Freunde!
Am Beginn des neuen Jahres werden wir zahlreiche Glück-
und Segenswünsche weitergeben und entgegennehmen. Wir
bringen zum Ausdruck, was wir uns und anderen wünschen,
was sich alle wünschen, glücklich zu sein.
Da liegt es nahe, sich als glaubender Mensch diese Frage
zu stellen: Macht Gott glücklich? Fächern wir es noch
etwas auf, dass es greifbarer wird: Macht mich der
Glaube an Gott glücklich? Lässt er mich Geborgenheit und
Orientierung erleben, führt er mich zu Frieden,
Selbstannahme und in ein als sinnvoll erlebtes Leben?
Geklärte, belastbare Verhältnisse zu sich und anderen,
eine wenigstens etwas absehbare Zukunft, Kraft und
Zuversicht, auf das was kommt, reagieren zu können,
beschreiben viele Menschen als ihr Glück. Schenkt Gott
das?
Psalm 4 lässt Menschen zu Wort kommen, die das offenbar
glauben. Sie fragen nach dem Guten, das ihnen jemand
schenken soll. Dabei denken sie an Gott. Für Gottes
liebevolle Zuwendung steht die traditionelle
Formulierung vom leuchtenden Angesicht Gottes. Schon der
aaronitische Segen (4. Mose 6,24-26) nutzt dieses Bild,
um Gottes persönliche Zuwendung zu einem Menschen zu
beschreiben. „Der Herr lasse sein Angesicht leuchten
über dir und sei dir gnädig.“ Wenn Gott sich also uns
zuwendet, das auch noch im Segenswort zugesagt wird,
sollte das nicht unser Glück bedeuten?
Biblisch gesehen lautet die Antwort ja und nein. Die
Bibel versteht überall, dass es das wahre Glück der
Menschen - das wirklich Gute für sie - ist, wenn Gott
sich ihnen zuwendet. Und überall wird diese Zuwendung
Gottes den Menschen mitgeteilt.
Allerdings folgt aus dieser Zuwendung nicht einfach das
persönliche Glücklichsein im herkömmlichen Sinn. Es geht
nicht so sehr um das, was wir haben oder genießen
können, um Glück zu erleben. Bei einem Gott, der sich
selbst verschenkt, um Beziehungen zu heilen, der durch
den Tod geht, dass die geliebten Menschen leben können,
ist das auch nicht zu erwarten. Vielmehr weist Gottes
Zuwendung den Weg zu einem anderen Erleben von Glück. Da
wir Gottes Ebenbilder sind, kennen wir dieses Glück
durchaus: Es liegt im Dasein für andere.
Das merken wir eben auch daran, dass wir zum
Jahreswechsel nicht nur Glück- und Segenswünsche
entgegen nehmen, sondern es uns wichtig ist, dies
anderen Menschen zu sagen und zu wünschen. Ihr Glück
liegt uns am Herzen.
Und sehen wir auf Jesus. Dorothee Sölle hat ihn in ihrem
Buch „Phantasie und Gehorsam“ so beschrieben: „Ich halte
Jesus von Nazareth für
den glücklichsten
Menschen, der je gelebt hat. … Jesus erscheint in der
Schilderung der Evangelien als ein Mensch, der seine
Umgebung mit Glück ansteckte, der seine Kraft weitergab,
der verschenkte, was er hatte."
Wir sind nicht nur als Gottes Ebenbilder auf der Spur
von Gottes Glück. Jesus hat uns vorgelebt, dass Glück
dort entsteht, wo wir für andere da sind. „Wen kann ich
Gutes sehen lassen?“ Ist daher die Leitfrage. Dabei muss
ich mich nicht selbst vergessen. Aber ich kann aktiv aus
der Zuwendung leben, die Gott mir schenkt. Darum
leuchtet Gottes Angesicht über uns, dass wir den Mut und
die Kraft finden, uns immer wieder liebevoll anderen
zuzuwenden. Dieses Glück wünsche ich Ihnen und euch für
das neue Jahr 2021.
Ihr/Euer Eric Söllner